2012-05-18

Deutschland und Österreich Zahlmeister der EU?

 Das Handelsblatt berichtet:

 Wird Deutschland Zahlmeister einer Europa-Regierung?

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll EU-Ländern in Finanzschwierigkeiten mit Krediten aushelfen. Deutschland haftet für das Kapital des ESM mit 190 Milliarden Euro.
Norbert Häring
Norbert Häring ist Korrespondent in Frankfurt.
Wenn dem Bundestag ein Vertrag zur Schaffung einer europäischen Wirtschaftsregierung unter Rückgriff auf den deutschen Steuerzahler zur Ratifizierung vorläge, würde ihn jeder lesen und ein Aufschrei ginge durch die Nation. Wenn es um einen Vertrag zur Gründung eines ESM geht, liest ihn nur eine kleine Minderheit und der Aufschrei bleibt aus. Dabei wird das Ergebnis dasselbe sein. ESM steht für Europäischer Stabilitätsmechanismus. Er soll europäischen Ländern in Finanzschwierigkeiten mit Krediten aushelfen. Er hat ein genehmigtes Kapital von 700 Milliarden Euro, für das Deutschland mit seiner Quote von 27 Prozent oder 190 Milliarden Euro haftet. Eventuell geht die Haftung sogar darüber hinaus, denn ein Vertragsartikel legt fest, dass jedes Land für nicht bezahlte Kapitalanteile eines anderen aufkommen muss, ohne jede Begrenzung und ohne jeden Verweis auf den Artikel, der die Haftung eigentlich auf den eigenen Kapitalanteil begrenzt.
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Außerdem kann der Gouverneursrat des ESM - der sich aus Vertretern der beteiligten Länder zusammensetzt - jederzeit eine Erhöhung des ESM-Kapitals beschließen. Dazu gibt es zwar eine Vorschrift, die so klingt, als müssten die nationalen Parlamente das ratifizieren. Tatsächlich ist aber nur gefordert, dass der jeweilige ESM-Gouverneur eines Landes dem ESM sagt, das "nationale Verfahren" sei abgeschlossen. Dass die Vertragsgestalter das Wort Ratifizierung kennen und benutzen, zeigt sich an anderer Stelle im Vertrag.
Stimmt es, dass ...
Tatsächlich ist aufgrund des Wortlauts eine Ratifizierung nicht nötig, damit die Kapitalerhöhung gilt. Wenn der deutsche Vertreter, dem der Vertrag ausdrücklich Immunität zubilligt, dem ESM sagt, Deutschland stimme zu, dann reicht das. Wenn ein Gericht nachträglich feststellen sollte, dass diese Ansage ungesetzlich war, ändert das nichts mehr.
Dazu muss man sich klarmachen, dass Entscheidungen des ESM über die Vergabe von Krediten und über eine etwaige Aufstockung des Kapitals in aller Regel unter verschärften Krisenbedingungen und damit in Eile getroffen werden müssen. Wenn das "nationale Verfahren" nicht festgelegt ist, gibt es daher immer eine gute Begründung, warum es ganz ausnahmsweise genügt, wenn Mitglieder eines Parlamentsausschusses eine Kopfbewegung machen, die als Nicken interpretiert werden kann. Wenn Deutschland bereits mit mehreren 100 Milliarden Euro in Haftung ist, müssen ohnehin die Parlamentarier erst geboren werden, die die Zustimmung zu einer Aufstockung verweigern und damit die gegebenen Garantien schlagend werden lassen.

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